Projektstart: Raman Spektroskopie zur Identifikation von Hirntumorgewebe

Der häufigste Hirntumor, das Gliom bzw. Glioblastom, wächst diffus infiltrierend in die Umgebung vor. Ziel eines neurochirurgischen Eingriffes ist die Gewebeentnahme zur Diagnosenstellung und größtmögliche Entfernung des Tumors unter Schonung wichtiger Hirnfunktionen. Da sich die Zone der Tumorausbreitung kaum von normalem Hirngewebe unterscheidet, werden verschiedene Techniken zur Darstellung des Tumorgewebes angewendet: Die Neuronavigation zeigt die Tumorausdehnung auf Bilddaten an, die allerdings von vor dem Eingriff stammen, die Fluoreszenzdarstellung färbt nur höhergradige Gliome. Daher besteht der Bedarf nach einem System, das dem Neurochirurgen Aufschluss über die tatsächliche Tumorausdehnung während der Operation gibt.

Tumordarstellung während der Operation

Die Raman Spektroskopie analysiert die Reflexion von Laserlicht an einer Substanz und kann damit Information über dessen chemische Zusammensetzung liefern. Damit soll in Zukunft auch Hirntumorgewebe während der Operation identifiziert werden, um unmittelbar einen Hinweis auf die Diagnose zu bekommen, und dem Neurochirurgen eine möglichst vollständige Entfernung des Tumorgewebes zu ermöglichen.

Projektstudie

In Zusammenarbeit mit dem Montreal Neurological Institute in Kanada wurde nun ein Projekt gestartet, das den Wert der Raman Spektroskopie in der Chirurgie vom Glioblastom überprüft. Es wird analysiert, ob sich mit der neuen Methode die größtmögliche Entfernung dieser Tumore und in weiterer Folge die Prognose dieser Tumore verbessern lässt.

Zusätzlich werden Proben anderer Tumore (v.a. Meningiom, Metastase, Hypophysenadenom etc.) mit Raman Spektroskopie untersucht und mit dem Gewebebefund verglichen, um zukünftig Aufschluss über die tatsächliche Diagnose bereits während der Operation zu bekommen.

Operationssimulation

Virtuelle Operationen und Augmented-Reality-Mikroskope: Einsatz von 3D Visualisierungen und Simulationen im klinischen Alltag nimmt zu

Wien – Alexander Micko navigiert mit Pinzette und Mikroschere vorsichtig in eine Furche zwischen den Gehirnwindungen. Er kappt eine Reihe von weißen Gewebefäden, um das krankhaft erweiterte Blutgefäß darunter freizulegen. Sehr vorsichtig müsse man arbeiten, denn das Aneurysma könnte auch während der Operation platzen, erklärt der Assistenzarzt an der Universitätsklinik für Neurochirurgie der Medizinischen Universität Wien am AKH. „Jetzt blutet es, weil ich zu fest angezogen habe“, sagt er. Und, während er die Instrumente einfach beiseite legt: „Ich kann Ihnen auch noch einen Tumor zeigen.“

Vor Micko liegt kein echter Patient, sondern ein Plastikkopf. Die Operation selbst spielt sich im virtuellen Raum des „NeuroTouch“ -Simulators ab, der dem Institut seit einigen Monaten zur Verfügung steht. Durch eine Art Brille – bei realen OPs ein Mikroskop – blickt Micko auf den Monitor, wo er ein dreidimensionales Bild eines Gehirnteils sieht. Zwei motorgetriebene, frei bewegliche Gerätearme lassen die Chirurgenhand spüren, was die Pinzette fasst oder die Schere schneidet. Die Haptik von Gewebe, Knochen und Gefäßen wurde für den Simulator genau rekonstruiert. „Das ist recht realitätsnah“, sagt der Assistenzarzt, bevor er ein Endoskop montiert und es samt Bohrer durch eine virtuelle Nase schiebt, um dort den Weg ins Gehirn freizubohren.

Der „NeuroTouch“-Simulator reiht sich unter eine Vielzahl neuer Ansätze, die Visualisierungs- und Simulationstechniken in stärkerem Maß für klinische Behandlungen nutzen wollen. Die Konzepte reichen von Augmented-Reality-Mikroskopen über die automatische Analyse von 3D-Scans bis hin zu ihrer nahtlosen Einbindung in die Strahlentherapie.

Hinter dem „NeuroTouch“ steht im Herkunftsland Kanada ein 50-köpfiges Forscherteam. Dass der erste derartige Simulator in Europa am Wiener AKH steht, hat mit Stefan Wolfsberger zu tun. Der Neurochirurg der Med-Uni Wien ist bei der Entwicklung des Simulators am National Research Council Canada als Berater tätig.

Mit dem Simulator sollen künftig nicht nur Trockentrainings absolviert und Operationen geplant werden. Er ist auch bereits Teil mehrerer Studien: „Wir planen, Ärzte nach eineinhalb Stunden zu wecken und Aneurysmen am Simulator operieren zu lassen“, erklärt Wolfsberger, „ein Fall, der im Nachtdienst durchaus vorkommen kann“.

Die Auswertung soll die Folgen von Stress abschätzbar machen. Es ist auch schon vorgekommen, dass eine Studentin in der Punktebewertung erfahrene Ärzte am „NeuroTouch“ schlug – ein Indiz dafür, dass Operationssimulation und reale OP vielleicht doch noch ein Stück weit auseinanderliegen. (Auszug aus DER STANDARD, 19.3.2014)

Wiener Wissenschafter lassen Gehirntumore leuchten

Nadel-Biopsien sind ein etabliertes Standardverfahren bei der Diagnosestellung von Hirn-Lymphomen und bestimmten hirneigenen Tumoren (Gliomen). Die entnommenen Gewebeproben mussten bisher während des Eingriffs an der Neuropathologie auf Tumorzellen untersucht werden. Um sicher zu sein, waren bisher mehrfache Biopsien notwendig. Mit dem Fluoreszenzmarker 5-ALA kann hingegen die korrekte Entnahmestelle der Tumorbiopsie und damit die exakte Diagnose sofort im Operationssaal bestätigt werden. Das zeigt eine Studie der Universitätsklinik für Neurochirurgie der MedUni Wien am Wiener AKH.

Der Fluoreszenzmarker 5-ALA ermöglicht eine exakte Diagnose von Hirn-Lymphomen und hirneigenen Tumoren schon im Operationssaal.

Der Patient muss dafür den „Farbstoff“ als Fluoreszenzmarker (5-Aminolävulinsäure; 5-ALA), in Wasser aufgelöst rund vier Stunden vor der Operation zu sich nehmen. Durch die tumorbedingte Störung der Blut-Hirn-Schranke (das ist die physiologische Barriere zwischen Blutkreislauf und Zentralnervensystem) sowie vermutete Enzymdefekte in der Tumorzelle reichert sich 5-ALA dort selektiv an. Während der Operation wird dann ein Blaulicht vom Operationsmikroskop ausgesendet, das die Tumorzellen bei Verwendung von 5-ALA in roter Farbe fluoreszieren lässt, teilte die MedUni Wien am Montag mit.

Aggressive Anteile leuchten

Bisher wurde 5-ALA bei der neurochirurgischen Entfernung von aggressiven Hirntumoren (Glioblastomen) bereits erfolgreich eingesetzt. „Mit unserer Studie haben wir nachgewiesen, dass es auch bei der Biopsie nützlich und effizient ist“, sagte Studienautor Georg Widhalm. „Bei klarer 5-ALA Fluoreszenz der Tumorprobe kann nun die Biopsie beendet werden, ohne eine neuropathologische Untersuchung während des Eingriffes und eine Serienbiopsie durchführen zu müssen. Daraus resultiert eine deutlich verkürzte Eingriffsdauer und erhöhte Sicherheit des Eingriffs“, erklärte er.

Zusätzlich konnte erstmals nachgewiesen werden, dass nur die aggressiven Anteile der Geschwulst bei hirneigenen Tumoren leuchten. Das ermöglicht die Entnahme der Tumorprobe exakt an der richtigen Stelle, dem sogenannten Hotspot – sowohl bei der Entfernung als auch bei der Biopsie von Tumoren.

Dadurch wird eine exakte Bestimmung des Tumorgrades entsprechend der Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ermöglicht. Stefan Wolfsberger, der Studienleiter: „Liegt bereits ein WHO-Grad III und damit ein rasch wachsender Tumor vor, kann man sofort die richtige Therapie nach dem neurochirurgischen Eingriff veranlassen.“ Das reicht von der Chemo- bis hin zur Strahlentherapie mit dem Ziel der Maximierung der Lebenserwartung der Betroffenen.

(DIE PRESSE, 22.4.2013)