Operationssimulation

Virtuelle Operationen und Augmented-Reality-Mikroskope: Einsatz von 3D Visualisierungen und Simulationen im klinischen Alltag nimmt zu

Wien – Alexander Micko navigiert mit Pinzette und Mikroschere vorsichtig in eine Furche zwischen den Gehirnwindungen. Er kappt eine Reihe von weißen Gewebefäden, um das krankhaft erweiterte Blutgefäß darunter freizulegen. Sehr vorsichtig müsse man arbeiten, denn das Aneurysma könnte auch während der Operation platzen, erklärt der Assistenzarzt an der Universitätsklinik für Neurochirurgie der Medizinischen Universität Wien am AKH. „Jetzt blutet es, weil ich zu fest angezogen habe“, sagt er. Und, während er die Instrumente einfach beiseite legt: „Ich kann Ihnen auch noch einen Tumor zeigen.“

Vor Micko liegt kein echter Patient, sondern ein Plastikkopf. Die Operation selbst spielt sich im virtuellen Raum des „NeuroTouch“ -Simulators ab, der dem Institut seit einigen Monaten zur Verfügung steht. Durch eine Art Brille – bei realen OPs ein Mikroskop – blickt Micko auf den Monitor, wo er ein dreidimensionales Bild eines Gehirnteils sieht. Zwei motorgetriebene, frei bewegliche Gerätearme lassen die Chirurgenhand spüren, was die Pinzette fasst oder die Schere schneidet. Die Haptik von Gewebe, Knochen und Gefäßen wurde für den Simulator genau rekonstruiert. „Das ist recht realitätsnah“, sagt der Assistenzarzt, bevor er ein Endoskop montiert und es samt Bohrer durch eine virtuelle Nase schiebt, um dort den Weg ins Gehirn freizubohren.

Der „NeuroTouch“-Simulator reiht sich unter eine Vielzahl neuer Ansätze, die Visualisierungs- und Simulationstechniken in stärkerem Maß für klinische Behandlungen nutzen wollen. Die Konzepte reichen von Augmented-Reality-Mikroskopen über die automatische Analyse von 3D-Scans bis hin zu ihrer nahtlosen Einbindung in die Strahlentherapie.

Hinter dem „NeuroTouch“ steht im Herkunftsland Kanada ein 50-köpfiges Forscherteam. Dass der erste derartige Simulator in Europa am Wiener AKH steht, hat mit Stefan Wolfsberger zu tun. Der Neurochirurg der Med-Uni Wien ist bei der Entwicklung des Simulators am National Research Council Canada als Berater tätig.

Mit dem Simulator sollen künftig nicht nur Trockentrainings absolviert und Operationen geplant werden. Er ist auch bereits Teil mehrerer Studien: „Wir planen, Ärzte nach eineinhalb Stunden zu wecken und Aneurysmen am Simulator operieren zu lassen“, erklärt Wolfsberger, „ein Fall, der im Nachtdienst durchaus vorkommen kann“.

Die Auswertung soll die Folgen von Stress abschätzbar machen. Es ist auch schon vorgekommen, dass eine Studentin in der Punktebewertung erfahrene Ärzte am „NeuroTouch“ schlug – ein Indiz dafür, dass Operationssimulation und reale OP vielleicht doch noch ein Stück weit auseinanderliegen. (Auszug aus DER STANDARD, 19.3.2014)